Chinesische Kampfkünste-Wu Shu

Die Faszination chinesischer Kampfkünste – Wu Shu entdecken und ein Leben lang üben…

Chinesische Kampfkünste werden unter dem modernen Ober-Begriff „Wu Shu“ (wörtlich: Kampfkunst) zusammengefasst. Der ungeheure Reichtum der verschiedenen Kampfkunst-Stile die in Nord- und Südchina entwickelt worden sind und ihre Eleganz und Tiefe sind sicher einzigartig. Der alte Begriff „Kung Fu“ der noch heute weit verbreitet ist, stammt von einem „Übersetzungsfehler“ der Engländer, die als Zuschauer eines Wu Shu-Kampfes im 19. Jahrhundert die Chinesen „Gong Fu, Gong Fu…“ rufen hörten und dachten, diese meinen damit die Kampfkunstübungen. Mit Gong Fu war aber das meisterhafte Können gemeint, das die Wu Shu-Meister zeigten und nicht die Kampfkunst an sich. In den 70er Jahren machten die Hongkonger Regisseure daraus einen Kunst-Begriff, in dem sie ihre Filme auch „Kung Fu-Filme“ nannten…

Man unterscheidet heute in „traditionelles Wu Shu“ und in „modernes Wu Shu.“ „Modernes Wu Shu“ wurde nach der Gründung der VR China 1949 in den 50er Jahren* von der Wu Shu-Kommission des chinesischen Sport-und Kulturministeriums aus den alten Quellen des Wu Shu konzipiert, um die allgemeine Sportertüchtigung zu fördern und den alten Kampfkünsten einen neue und wettkampfgerechte Entwicklung zu geben. Es wurden auch Prüfungsgrade (Duan) eingeführt, ähnlich dem japanischen System der Kampfsportarten.  Manche moderne Wu Shu-Formen erfordern ein starkes leistungsorientiertes Training und sind sehr akrobatisch (eine gute Definition von WuShu auch bei Wikipedia).

„Traditionelles Wu Shu“ sind Formen und Stile die bereits vor 1949 in China existierten, die nicht maßgeblich durch Leistungssportelemente und Wettkampfentwicklung orientiert sind und weitestgehend unverändert meist innerhalb alteingesessener Wu Shu- und Kampfkunstfamilien oder enger Meister-Schüler Tradition weitergegeben werden. Traditionelle Wu Shu-Formen sahen sich während der Kulturrevolution staatlicher chinesischer Kontrolle und Unterdrückung ausgesetzt, viele Wu Shu-Meister wurden öffentlich gedemütigt, verfolgt oder verhaftet.

Heute werden traditionelles und modernes Wu Shu gemeinsam gefördert und besonders die traditionellen Stile erfahren im In-und Ausland wieder eine Renaissance. Die Zahl der traditionellen Vertreter und ihre Lern-und Schulgrößen sind allerdings viel zu klein, als dass man von einer flächendeckenden Verbreitung sprechen kann. Das moderne Wu Shu ist dagegen bereits weit verbreitet.

Die Gefahr besteht, dass die „wahren Kulturschätze“ der chinesischen Kampfkunst so verloren gehen,  was einigen sehr alten Wu Shu-Stilen schon passiert ist. Einen der letzten wirklichen Vertreter dieser Gilde zu treffen und über einen langen Zeitraum ohne Unterbrechung von ihm zu lernen, kann man daher als „Glücksfall“ bezeichnen. Diese Meister sehen ihre Kunst als Ganzes, als eine gänzlich von allen Kulturelementen durchwebte Struktur. Sie „kultivieren“ ihre Kampfkunst im höchsten Ziel als „Lebenskunst.“ Diese Lebenskunst vermag auch uns zu durchdringen, zu bereichern und zu füllen, wenn wir bereit sind „von der Quelle zu trinken“ und uns nicht durch unsere eigene Engstirnigkeit, Besserwisserei und Egomanie zu blockieren…

Auf diesen „alten Pfaden“ zu wandeln, ist ein Abenteuer und eine Reise durch die chinesische Kultur.

Die folgenden traditionellen Stile der Chinesischen Kampfkünste Xingyiquan, Bajiquan, Bagua Zhang und Wudang-Kun Wu-Schwert sind „wahre Kulturschätze“ des Wu Shu** und eignen sich alle Fazetten der menschlichen Bewegungs-und Geistes-Kultur zu berühren. In ihnen stecken Lebenskunst, Selbstschutz, Schutz vor Verletzungen, Schutz der Lebensenergie, Körperkräftigung, Rehabilitation und Stärkung der Konstitution, Meditation und Bewusstseinserweiterung etc. Der Bajiquan-und Taijiquan-Meister Zhang Xiang Wu (1873-1959) praktizierte diese Stile auf einem sehr hohen Niveau. Sein Schüler Meister Li Suiyin (geb. 1942) pflegt heute in Xian als einziger noch lebender Nachfolger dieses System…In Deutschland habe ich die große Ehre, als adoptierter Schüler von Meister Li, gemeinsam mit meinen Mitschülern, diese Kunst sorgsam zu pflegen…

Anmerkungen:
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Das ist nicht die 1. Reformation der chinesischen Kampfkünste. Bereits ab 1928 erfolgte in der Republikzeit eine Neuorientierung und Systematisierung der chinesischen Kampfkünste. Diese nannte man dort „Guo Shu“ (Nationale Kampf-Künste). Auch dort wurden Formen entwickelt und erste Wettkampfsysteme erprobt. An den Guo Shu-Instituten lehrten viele zeitgenösische Wu Shu-Meister erstmals öffentlich und auch Frauen wurden darin sehr gefördert. Der 2.Weltkrieg machte allerdings die Arbeit der Institute unmöglich, sodass sie 1936 bzw. 1942 geschlossen wurden. Einige der Guo Shu-Meister siedelten 1949 nach Taiwan über und pflegten dort dieses Erbe weiter. Die Formen gelten heute in China auch als „traditionelles Wu Shu.“
** Taijiquan zählt in China offiziell als „Stil“ des Wu Shu! Auch im Taijiquan gibt es moderne Formen (24er, 48er, 32er Schwert etc.) als auch traditionelle Formen (36er, 85er, 103er, 108er, 54er Schwert etc.)