Xingyiquan

Xingyiquan ist die Faust die eins wird mit dem Körper, der Form, der Energie und dem ursprünglichen Bewußtsein

Dieser zu den „inneren Kampfkünsten“ zählende traditionelle Wu shu-Stil ist in China wieder häufig anzutreffen. Er wird auch gerne als „Einstiegs-Form“ in die „inneren Kampfkünste“ bezeichnet.  „Xing“-heißt: Körper oder Form (die Form die ein Körper annimmt),“Yi“-heißt der Gedanke, der aus dem ursprünglichen Bewußtsein (Yuan Shen) kommt.Xingyiquan ist die Kampfkunst, die in vollkommener Weise den Geist (Gedanken) mit dem Körper (oder der Faust) verbindet. Dabei benutzt Xingyiquan das Qi, die Energien, der „5 Elemente.“

Ihr Begründer soll der Gelehrte Ji Ji Ke – auch Ji Long Feng genannt – sein, der zum Ende der Ming-Dynastie um 1640 lebte. Die Legende berichtet, das sich Ji Long Feng auf einer Reise in der nordchinesischen Provinz Shaanxi befand, als ein Unwetter ihn zwang in einem verlassenen Tempel Unterschlupf zu suchen.Der Tempel war dem Yue Fei geweiht, einem berühmten General und Heroen der chinesischen Geschichte. Beim näheren Betreten der halbzerfallenen Yue Fei-Statue im Tempel, bemerkte Ji Long Feng eine Öffnung, in die er hineinsah und eine Schriftrolle entdeckte. Die Schriftrolle war ein Kampfkunst-Handbuch mit dem Titel: „Yue Fei´s Sechs Harmonien – Faustmethode von Form und Bewusstsein.“Ji Long Feng nahm die Schriftrolle an sich und begann nach den Anweisungen des Buches zu üben.

Eine andere Legende besagt, dass Ji Long Feng die Xingyi-Boxform aus den Techniken im Umgang mit dem Speer erfunden habe. Wie auch immer, Xingyiquan wurde erst unter dem berühmten Meister Guo Yunshen um 1850 bekannt, der den Namen „Göttliche allesvernichtende Faust“ trug.

Im Xingyiquan beginnen Schüler mit der Entwicklung der Form und des Gedankens durch Üben der „Stehenden Säule“ (zhan zhuang), besonders dem „Santishi“-Stand. Durch das Stille Stehen (Meditation) der Santishi-Position beginnt sich Struktur,Form und „Yi“-Bewußtsein langsam zu entwickeln und fördert insbesondere auch die Gesundheit und Kraft des Übenden. Als nächstes übt man die 5 Faustkampfformen (wuxingquan), jede entspricht einer speziellen inneren Energie der 5 Elemente:

Pi Quan – Spaltende Faust (Element Metall)
Zuan Quan – Bohrende Faust (Element Wasser)
Beng Quan – Berstende Faust (Element Holz)
Pao Quan – Kanonen Faust (Element Feuer)
Heng Quan – Kreuzende Faust (Element Erde)

Die 5 Faustkampfformen sind kurz und sehr sparsam. In den alten Xingyi-Schulen hat man diese fast ausschließlich geübt und hielt sie für ausreichend. Später wurden diese weiter zu Formen kombiniert und in das Training eingebunden: zunächst die 5 Elemente-Wandlungsformen (wuxing lianhuan quan) und als zweites die 12 Tierformen (shi er daxing quan). Daneben gibt es heute weitere Kombinations-, Partner- und Waffenformen.

Die Bewegung und die Energie des Xingyiquan erscheint oft dynamisch, mit Power, explosiv und geradlinig. Die „aggressiv“ und auf nahe Distanz wirkende Art des Xingyiquan überrascht den Gegner. Durch eine ausgereifte lineare Schritt-Technik und der Dynamik kann in kürzester Zeit die Distanz zum Gegner überwunden werden. Dabei sucht man das „Runde im Geraden“, dieses daoistische Prinzip,hat im Xingyiquan große Vollendung erlangt. Xingyiquan gehörte deshalb und auch durch die hervorragende Kampfkraft des Meisters Guo Yun Shen in der Qing-Dynastie zur Grundausbildung des kaiserlichen Militärs. Bis heute bewahrt es sehr kämpferische Ambitionen mit dem Training des Qi Gong.

Die Übungsmethoden selbst scheinen äußerlich sehr einfach, jedoch ist es nicht leicht eine „innere Fähigkeit“ der Xingyi-Kraft zu erlangen. Die „Härte“ oder Unbeugsamkeit (gang) existiert im Xingyiquan nur mit der „Weichheit“ Nachgiebigkeit (rou) gemeinsam. Mit der Zeit verschmelzen Gang und Rou zu einer untrennbaren Einheit und es entsteht „Natürlichkeit.“Die Technik scheint wie von selbst aus dem Xingyi-Übenden zu entstehen.

Das ist es, was mit dem Verschmelzen von äußerer Form (Xing) und innerer Intention (Yi) gemeint ist. Um dies zu erreichen, sollten die „Sechs Harmonien“ gemeistert werden. Die „Sechs Harmonien“ als profunde Quelle des Übens (überliefert von Dai Long Bang, um 1750):

  1. Die Hände harmonisieren mit den Füßen,
  2. Die Schultern harmonisieren mit den Hüften,
  3. Die Ellebogen harmonisieren mit den Knien,
  4. Das Herz-Bewußtsein harmonisiert mit  der Vorstellungskraft und dem Willen
  5. Die Intention ( Yi ) harmonisiert mit dem „Qi“,
  6. Das „Qi“ harmonisiert mit der „Kraft“ ( li ).

„Mein Xingyiquan-Üben begann nach einigen ersten Kontakten mit der Kunst und einer kurzen Übungszeit in den 90er Jahren erst richtig im Jahr 2005 unter Meister Li Suiyin. Dabei fühlte ich wie die Energie des Xingyiquan wie ein tosender Wasserfall ist, wie ein entfachter Blitz oder ein Adler der sich auf seine Beute stürzt. Aus der inneren Ruhe heraus, entsteht wahrhaft Schnelligkeit, Explosivität und Treffsicherheit. Das Qi der 5 Elemente kommt in Einklang miteinander und erfährt die unzähligsten Wandlungen, der Körper fühlt sein innerstes Wesen und kehrt zu seiner ursprünglichen Natur zurück.“ (Thomas Richter)

Xingyiquan-Stammbaum & Übungsformen

Meister Li Suiyin lernte Xingyiquan bei seinem „Onkel-Bruder“ (ShiXiong) Xing Guo Biao, der ein „Tudi“ (adoptierter Schüler) von Meister Guo Yun Shen selbst war. Er repräsentiert damit noch die 7. Generation Xingyiquan.

Unsere Übungs-und Unterrichtsformen setzen sich aus den komplett überlieferten waffenlosen Hand-und Partnerformen des Xingyiquan zusammen, sowie der Stand-und Stehübungen „San Ti Shi“ und anderer Energie-und Kampfstellungen (Jiji Zhuang) die je nach Entwicklung des Übenden stufenweise aufbauend gelehrt werden können.